Eckpfeiler für lokale, nationale und weltweite Politik-Strategien
Whitepaper in Kürze
- Politische Vertreter*innen auf lokaler bis internationale Ebenen erkennen zunehmend den Wert und Nutzen der Kreislaufwirtschaft und beginnen, Roadmaps und Strategien für die Wirtschaft insgesamt sowie für einzelne Sektoren zu entwickeln Ziel dieser politischen Arbeiten ist, das bestehende Momentum in der Transformation von der linearen zur kreislauffähigen Wirtschaft zu stärken.
- In ihrem Bericht «Universal Circular Economy Policy Goals» (2021) beschreibt die Ellen MacArthur Foundation (EMAF) fünf politische Eckpfeiler zu den Themen Design, Werterhaltung, Wirtschaftlichkeit, Investitionen in Innovation, Infrastruktur und Bildung, sowie neue Partnerschaften.
- Im internationalen Kontext sind solche Grundlagen wertvolle Orientierungshilfen. Für interessierte Entscheidungsträger in der Schweizer Wirtschaft und Politik fasst die folgende Übersicht die wichtigsten Elemente und Erkenntnisse des EMAF Berichts zusammen. Diese fliessen idealerweise pro-aktiv gestaltend in die täglichen politischen Arbeiten ein - reaktiv unter entsprechend zeitlichen und wirtschaftlichen Druckes.
Vorbemerkung
Die zentral wichtige Erkenntnis ist, dass die Kreislaufwirtschaft deutlich weiter greift als das bisher bekannte Recycling oder End-of-Pipe Massnahmen. Durch die systemische Sicht kann eine Vielfalt an ökonomischen, ökologischen und sozialen Vorteilen erkannt und ausgelöst werden. 45% der globalen Treibhausgas-Emissionen stammen aus der Art und Weise, wie wir Produkte und Nahrung produzieren und konsumieren.
Hier liegt der grosse Hebel und die signifikanten Einsparpotentiale von kreislauffähigen Lösungen. Die Kreislaufwirtschaft trägt damit direkt zur Umsetzung der Sustainable Development Goals/SDG der UN bei – insbesondere bei SDG12 (Ensure sustainable consumption and production patterns) sowie elf weiteren SDGs, darunter SDG9 (Build resilient, inclusive and sustainable industrialisation, together with infrastructure and innovation).
Politik setzt skalierbare Wirkungspotentiale der Kreislaufwirtschaft frei
In den letzten Jahren haben die Kreislaufwirtschafts-Aktivitäten von multinationalen Firmen, KMU, Startups, Investoren wie auch der Politik auf nationaler und regionaler Ebene sprunghaft zugenommen. Mit den fünf Eckpfeilern wird die Navigation und eigene strategische Orientierung erleichtert, Synergiepotentiale werden ersichtlich, die Verzettelung wird verringert - die Wirkung dieser wirtschaftlichen Transformationsphase wird weiter gestärkt und beschleunigt. Beispiel: das freiwillige „New Plastics Economy Global Commitment“ wurde von bisher 20% der Akteure des entsprechenden Kunststoff-Markts unterzeichnet. Politische Impulse und Rahmenbedingungen - gerade auch als konkreter Lösungsansatz in der wirtschaftlichen Erholungsphase nach der Covid-19 Pandemie – kann jetzt die breitere Durchdringung fördern und grosse Wirkungspotentiale freisetzen
Ziel 1: Stimulieren des Designs zur Kreislaufwirtschaft
Schnelllebige Konsumgüter bis langfristig ausgerichtete Investitionsgüter sollen so konzipiert, zugänglich und nutzbar gemacht werden, dass Umweltbelastungen reduziert oder gar vermieden werden können. Das Design und die Produktion dieser Produkte soll so stimuliert werden, dass sie den «Return on Invested Energies» erhöhen, die negativen Auswirkungen aufs Klima minimieren und die Regeneration natürlicher Systeme fördern. Beispiele:
- Entwicklung von Produktkonzepten mit klaren Design- und Qualitätsansprüchen bezüglich langlebiger Güter und Verpackungen
- Bestrafung von geplanter Produkte-Kurzlebigkeit, z.B. bei der bewussten Integration von entsprechenden Materialbruchstellen
- Anpassung von Chemie-Gesetzgebungen und Handelsstandards zur Förderung kreislauffähiger Lösungen und entsprechenden Wirkungen
Ziel 2: Ressourcen-Management zur Werterhaltung
Die beim Ziel 1 dargestellten Design-Prinzipien sollen zur Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen und Ressourcen-Management-Systemen beitragen, welche die möglichst langfristige Erhaltung des höchstmöglichen Werts von Produkten und Materialien im Wirtschaftskreislauf erlauben. Beispiele:
- Entwicklung von Steuer- und Beschaffungsmodellen welche das Reparieren, Teilen, Wiederverkaufen und die Wiederverwertung fördern und damit die Nutzung und den „Return on Invested Energy“ maximieren helfen
- Entwicklung von Nebenprodukte- und Second Hand Märkten
- Anreize minimieren bei Abfall-Deponien und –Verbrennungsanlagen.
45% der globalen Treibhausgas-Emissionen stammen aus der Art und Weise, wie wir Produkte und Nahrung produzieren und konsumieren. Hier liegt der grosse Hebel und die signifikanten Einsparpotentiale von kreislauffähigen Lösungen.
Ziel 3: Wirtschaftlichkeit ermöglichen
Kreislauffähige Lösungen sind über ökonomische Anreize und regulatorische Anforderungen zu fördern als neuer, breit abgestützter Standard - nicht wie bisher in Teilbereichen und in dem Sinne eher als Ausnahme. Dies wird wertvolle Skalier-Potentiale ermöglichen. Beispiele:
- Abstimmung von steuerlichen und gebührlichen Vorgaben – wie etwa die erweiterte Produzenten-Verantwortlichkeit («EPR Extended Producer Responsability») – auf die Wirkungsziele der Kreislaufwirtschaft
- Anpassung von Buchhaltungs- und Revisions-Regeln
- Integration von Kreislauf-Prinzipien in die internationale Handelspolitik.
Ziel 4: Investitionen in Innovation, Infrastruktur und Bildung
Im Zusammenspiel von öffentliche Geldern und privaten Investitionen sollen Finanzierungen gefördert werden zur Entwicklung der zur Transformation notwendigen neuen Kompetenzen, unterstützenden Innovationen und Infrastrukturen. Ziel ist die Skalierung der laufenden Prozesse von der linearen zur kreislauffähigen Wirtschaft und Gesellschaft. Beispiele:
- Erhöhung der Investitionen in die interdisziplinäre Forschungs-Zusammenarbeit
- Förderung von sich komplementär ergänzenden Finanzierungs-Lösungen («Blended Finance») für physische und digitale Infrastrukturen sowie Innovationsprojekte
- Aufbau von neuen Kapazitäten durch internationale Projekte und Zusammenarbeit.
Ziel 5: Zusammenarbeit zum System-Wechsel
Mit Public-Private-Partnerschaften über ganze Wertschöpfungsketten hinweg ist die Identifikation und der Abbau von Barrieren zur Transformation in Richtung Kreislaufwirtschaft zu fördern. Politische Programme sind aufeinander abzustimmen auf nationaler und internationaler Ebene, damit die bereits laufenden Arbeiten gestärkt, die Wirkung verbessert und langfristig verankert werden kann. Entsprechend sind neue Messsysteme zur Strategie-Entwicklung und kontinuierlichen Optimierung zu entwickeln. Beispiele:
- Systemische Lösungen und Kompetenzen in der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren sind zu fördern mit Multistakeholder Konzepten sowie wertschöpfungs-übergreifenden, integrierenden Ansätzen und Arbeits-Mechanismen
- Bildung von grenz- und sektorübergreifenden, aufeinander abgestimmten politischen Leitlinien und Rahmenprogrammen
- Entwicklung und Umsetzung von Kampagnen zur Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung für diese Transformationsphase.
Fazit
Der Schlüssel zu einer systemischen Transformation von Produktion und Verbrauch hin zur Kreislaufwirtschaft ist, diese fünf Ziele als vernetztes Set zu betrachten und umzusetzen. So wird verhindert, dass die ermutigenden individuellen Richtlinien auf Ebene von Firmen, Kantonen und Ländern in einer breiten politischen Landschaft stranden – einer Landschaft, die seit mehreren Jahrzehnten durch Modelle der linearen Extraktion geprägt sind. Der integrierende Ansatz erlaubt das direkte und sich unterstützende Zusammenspiel mit weiteren wichtigen politischen Anliegen wie der wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung, Klimawandel, Biodiversität und Ressourcensicherheit.
Jedes Land, jeder Sektor und jedes Unternehmen wird einen anderen Startpunkt zu dieser Transformation finden und erleben. In der praktischen Umsetzung werden Kompromisse nötig sein. Der Kern und die Essenz der fünf Ziele und der Notwendigkeit einer nationalen und internationalen Angleichung zwischen den politischen Arbeiten sind jedoch erfolgsentscheidend und universell relevant.
Unternehmer*innen wie Politiker*innen auf allen Ebenen – international, national und lokal – sind gefordert, nebst den kurzfristig gewinnorientierten Zielen die langfristigen und kreislauffähigen Werte und Ziele in Ihre Entscheidungen zu integrieren, und sich in diese Gespräche offen und motiviert einzubringen. In neuen, lokalen bis weltweite Partnerschaften entsteht die Basis zur tiefgreifenden Innovation im privaten wie öffentlichen Sektor – als stimulierender Katalysator zur Entwicklung und Umsetzung von kreislauffähige Lösungen, und damit einer langfristig stabilen Wirtschaft und Gesellschaft.
Jetzt ist die Zeit, die dazu notwendigen Energien zusammenzubringen, zu kanalisieren und damit eine Wirtschaft zu schaffen, die von Natur aus belastbar, inklusiv und regenerativ ist.
Autor

Christian Häuselmann
Initiant SHIFT Switzerland