Von Kreisen und Modellen: Ein Vergleich zwischen EFQM und Circular Globe
Whitepaper in Kürze
- Die Welt der Normen, Bewertungs-, Führungs- und Denkmodelle ist ein Dschungel. Interessierte Organisationen haben oft Mühe, unter der Vielzahl an Angeboten und Möglichkeiten den richtigen Managementansatz für sich zu finden.
- Wir können helfen: Mit einem Vergleich zwischen dem etablierten Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) und dem «jungen Wilden» Circular Globe. Siegfried Schmidt, Leiter Business Excellence bei der SAQ Swiss Association for Quality, und Andri Bodmer, Projektleiter Circular Globe bei der SQS haben ihre Erfahrungen rund um Managementsysteme und Modelle ausgetauscht und schaffen mit einem Blick hinter die Kulissen Klarheit im Umgang mit den beiden Verfahren.
Einführung in die beiden Modelle
Das EFQM Modell ist seit Jahren ein bekannter Wert in der Welt des Qualitätsmanagements. «Durch die Revision des Modells im Jahr 2020», sagt Siegfried Schmidt, «wurden wertvolle Methoden zu Führungsthemen wie Innovation, Transformation und Nachhaltigkeit integriert, die dieses noch vielfältiger machen.» Ausserdem ist mit der Struktur des EFQM Modells 2020 eine zielorientierte und durchgängige Operationalisierung der Führungsthemen und -aktivitäten möglich.
«Mit den Neuerungen hat sich EFQM vom Bewertungsmodell und Verbesserungsinstrument hin zu einem ‹Diagnosetool› und ganzheitlichen Framework entwickelt. Damit lassen sich auch Veränderungs- und Transformationsprozesse schaffen und lenken», so Schmidt.
Von zentraler Bedeutung für die Logik des Modells ist die Verbindung von Zweck, Vision und Strategie, insbesondere wie diese umgesetzt und genutzt werden, um nachhaltigen Wert für Stakeholder zu schaffen und herausragende Ergebnisse zu liefern.
Als Highlights des EFQM Modells bezeichnet Siegfried Schmidt die folgenden Faktoren:
- Unternehmenskultur und effektive Führung auf allen Ebenen,
- Wahrnehmung und Einbindung aller Interessengruppen,
- das Schaffen von nachhaltigem Nutzen,
- leistungsbezogene Ergebnisse und
- eine dynamische, offene Struktur.
«Weiterhin Bestand im Modell 2020 haben der Vorrang des Kunden und dessen Bedürfnisse, der langfristig ausgerichtete Blick sowie der Fokus auf Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge», schliesst Schmidt die Erklärung zum EFQM Modell ab.
Wir sehen das Circular Globe Modell als eine Art Kompass, einen Leitfaden für Organisationen jeder Grösse, die den Weg hin zur Kreislaufwirtschaft gehen möchten.
Einführung in die beiden Modelle - Circular Globe
Circular Globe ist der Neuling in der Welt der Bewertungsmodelle. Eine europäische Initiative der SQS und der Quality Austria. «Wir sehen unser Modell als eine Art Kompass, einen Leitfaden für Organisationen jeder Grösse, die den Weg hin zur Kreislaufwirtschaft gehen möchten», so Andri Bodmer, Projektleiter Circular Globe bei der SQS.
Und weiter: «Das Modell beruht auf wichtigen Handlungsweisen, die einem systematischen Ansatz zur Erreichung von zirkulärer Wirkung zu Grunde liegen.
Im Zentrum steht die Analyse bezüglich Kreislaufwirtschaft, die als Basis für die Themen Planung, Implementierung sowie Überwachung und Messung dient.
Die Faktoren Leadership, Zusammenarbeit sowie Verbesserung und Kommunikation bilden den notwendigen Rahmen zur Bereitstellung von Ressourcen und Kompetenzen und dienen als Grundlage für eine innovative, zirkuläre Kultur.»
Mit einem Kriterienkatalog von über 200 Fragestellungen setzt Circular Globe auf Gründlichkeit. «Uns ist es wichtig, dass wir alle Aspekte der Kreislaufwirtschaft durchleuchten», so Andri Bodmer. «Ein systemischer Ansatz auf allen notwendigen Ebenen kann nur gewährleistet werden, wenn wir eine Organisation umfassend durchleuchten.» So wird zudem sichergestellt, dass es zu keinem «Greenwashing» kommt.
Circular Globe unterscheidet sich von anderen Bewertungsmethoden, im Bereich der Kreislaufwirtschaft, indem es nicht auf einzelne Produkte fokussiert, sondern die ganze Organisation unter die Lupe nimmt. Ins Modell integriert ist ein Regelkreis, der die fortlaufende Verbesserung in Bezug auf zirkuläre Wirksamkeit sicherstellt. Zentral in der Kreislaufwirtschaft sind der Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette, was die Integration von und Kooperation mit vielen Stakeholdergruppen sowie teilweise veränderte Geschäftsmodelle bedingt. Entsprechend sind diese Elemente prominent im Circular Globe Modell vertreten.
Nutzen von Managementsystemen
Es stellt sich natürlich die Frage, warum eine Organisation mit einem Managementsystem oder Modell arbeiten soll. Was ist der konkrete Nutzen? Bei dieser Frage sind sich beide Gesprächspartner einig: «Ein gutes Managementsystem dient der Operationalisierung der Strategie eines Unternehmens», sagt Schmidt. Bodmer ergänzt: «Damit können Innovations- und Transformationsprozesse in Unternehmen wunderbar gesteuert werden.»
Einigkeit besteht auch darüber, dass Managementsysteme und Modelle nicht ausschliesslich Zertifizierungs- und Kommunikationszwecken dienen. Im Zentrum steht unverändert der kontinuierliche Verbesserungsprozess und die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen. In folgenden ergänzenden Einsatzmöglichkeiten sehen die beiden Gesprächspartner gewinnbringenden Nutzen für Organisationen:
- Diagnosewerkzeug als Grundlage, um schrittweise erfolgende Verbesserungen messen zu können
- Leitfaden und Rahmen für Transformation
- Werkzeug, um Veränderungen und Change-Prozesse erfolgreich zu managen und zu begleiten
- Tool für den Aufbau neuer Fähigkeiten
Durch die Revision des EFQM Modells im Jahr 2020 wurden wertvolle Methoden zu Führungsthemen wie Innovation, Transformation und Nachhaltigkeit integriert, die dieses noch vielfältiger machen.
Analysieren, entwickeln und verbessern statt nur bewerten
Siegfried Schmidt bemerkt, dass bei der SAQ immer mehr Anfragen für EFQM als Diagnose-Tool eingehen. «Unternehmen möchten vermehrt einzelne Bereiche durchleuchten oder eine Aussage zum Status quo erhalten und nutzen dafür das EFQM Modell.» Solche Standortbestimmungen sind auch eine Nutzungsvariante des Circular Globe Modells, wie Andri Bodmer sagt: «Diese sind für alle enorm hilfreich, die sich auf den Weg der Transformation begeben.»
Beide Vertreter sehen solche Anwendungen für Managementsysteme als zukunftsträchtig. Zertifikate und Label werden aber weiterhin ihre Berechtigung haben und Assessments zur Kernkompetenz beider Organisationen gehören. Basierend auf den beiden Modellen zeigen SAQ und SQS Unternehmen auf, wo sie aktuell stehen und unterstützen diese aktiv dabei, den für sie richtigen Weg einzuschlagen.
«Generell», sagt Bodmer, «sind wir mit unserer Bewertungstätigkeit heute eher Befähiger als Kontrolleur.» Schmidt befürwortet dies, denn «so können wir als Assessoren und Auditoren unsere gesamte Erfahrung und Kompetenz in die Waagschale werfen, um Dinge zu bewegen.»
Parallelen und Unterschiede der Modelle
Wo sehen die Gesprächspartner die Parallelen, aber auch die Unterschiede zwischen den beiden Modellen? Siegfried Schmidt bemerkt treffend, dass Circular Globe die Aussensicht stark gewichtet. «Dies vor allem durch den Stakeholder-Fokus und die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette.» Andri Bodmer bejaht, und findet, dass EFQM etwas «flexibler» in der Anwendung sei, da es die ganzheitliche Entwicklung aller Branchen und Unternehmensgrössen adressiere und sich bestehende Aktivitäten mit dem Modell verknüpfen lassen. «Wir bei Circular Globe fokussieren auf Zirkularität, was gewisse Aktivitäten und Geschäftsmodelle ausschliesst, auch wenn diese im klassischen Sinne ‹Qualität› bieten.»
Beiden Modellen gemein ist der Fokus auf eine systemische Vorgehensweise, wertvolle Orientierungspunkte, sowie ein mehrstufiges Bewertungsverfahren, das den Reifegrad einer Organisation aufzeigt. Vor allem aber legen beide Modelle Wert auf Wirkung, Resultate sowie eine fortlaufende Verbesserung. «Stillstand ist Rückschritt», sagt Bodmer und bringt so den Kern beider Modelle auf den Punkt. Schmidt ergänzt: «Nebst der mehrstufigen Reifegrad-Bewertung ist das Arbeiten mit Regelkreisen die wohl grösste Gemeinsamkeit beider Modelle. Ausfluss aus diesen sind Resultate und Erkenntnisse, die sich in den nächsten Loop integrieren lassen.» Zirkularität liegt also auch einem erfolgreichen Managementsystem zu Grunde.
Der grösste Unterschied zwischen den beiden Modellen liegt wohl darin, dass der EFQM Ansatz auf die Identifikation von Handlungsfeldern zur Steigerung der Leistungsfähigkeit fokussiert. Das Modell «zwingt» den Kunden dazu, die strategische Relevanz zu erkennen und gewährt damit mehr Spielraum. Natürlich sind erfolgreiche zirkuläre Geschäftsmodelle auch vom Erfolg beim Kunden abhängig. Circular Globe berücksichtigt jedoch die Wertgenerierung für andere Interessengruppen – insbesondere auch Natur und Umwelt, die keine eigene Stimme besitzen – genauso wie den Kundennutzen und wirtschaftliche Werte. Die ausschliessliche Betrachtung und Berücksichtigung der Interessen der Stakeholder reicht hier nicht aus, was in der Natur der Sache liegt. Der EFQM Ansatz fokussiert auf die ganzheitliche Unternehmensführung. Die Umweltaspekte sind nur ein Teil davon. Aufgrund der Offenheit des Modells ist dieses sehr anschlussfähig, lässt sich also gut zur Integration bestehender Normen, Methoden und Instrumente nutzen.
Beide Modelle sind gut geeignet, um Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu erkennen und für Verbesserungen zu nutzen. Die erwähnten Regelkreise verlangen, Ziele zu definieren und deren Erreichungsgrad anhand konkreter Kennzahlen zu messen. Aus den daraus folgenden Erkenntnissen werden neue Massnahmen und Ziele abgeleitet.
EFQM Modell 2020 |
Circular Globe |
Führungs- und Denkmodell für nachhaltigen Unternehmenserfolg |
Modell für zirkuläres Wirtschaften |
Themen und Struktur: Ausrichtung, Realisierung und Ergebnisse |
Systemischer, Strategie- und Wirkungsbasierter Ansatz aufbauend auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft |
7 Hauptkriterien |
4 Dimensionen |
23 Teilkriterien |
11 Themenfelder |
112 Orientierungspunkte |
239 Kriterien |
Wichtig für die Nutzer der Modelle ist sicherlich auch der Aspekt der Reifegrad-Bewertung. Keines der Modelle malt schwarz-weiss. Es geht darum, transparent zu evaluieren, wo eine Organisation in Bezug auf gewisse Strategien und Zielsetzungen steht und den Reifegrad weiterzuentwickeln. Im Vergleich zu einfachen Erfüllt- oder Nicht-Erfüllt-Bewertungen zeigt sich hier ein Mehrwert, der auch einen Anreiz für fortlaufende Verbesserung, Innovation oder gar Transformation bildet.
Beide Modelle orientieren sich an nationalen und internationalen Inititativen und Standards wie zum Beispiel den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 (United Nations Sustainable Development Goals) So gewährleisten sowohl das EFQM Modell wie auch Circular Globe den Anschluss an globale Rahmenbedingungen.
Eignung der Modelle
Für wen eignen sich die beschriebenen Modelle aus Sicht der Gesprächspartner?
Je nach Fokus einer Organisation muss diese Frage anders beantwortet werden. Aufgrund des erwähnten Spielraums beim EFQM Modell, eignet sich dieses sicher besser für Unternehmen, die Handlungsfelder in Ihrem Managementsystem identifizieren und so den kontinuierlichen Verbesserungsprozess fördern möchten. Circular Globe ist spezifisch für Organisationen kreiert, die ihre Zukunft in der Kreislaufwirtschaft sehen. Die gesamte Bewertung ist auf den zirkulären Reifegrad ausgelegt. Aufgrund der Parallelen zwischen den Modellen ist Circular Globe als effiziente Anschlusslösung aufbauend auf EFQM realisierbar. Es dürfte erfahrene EFQM Nutzer ansprechen, die den Schritt in die Kreislaufwirtschaft wagen.
Gleiches gilt bei der Nutzung zur Standortbestimmung, sei dies für die gesamte Organisation oder einzelne Bereiche. Geht es um Nachhaltigkeit, ist Circular Globe gut geeignet, möchte man andere Bereiche der Unternehmensführung beleuchten, bietet EFQM mehr Optionen.
Beide Modelle sind problemlos in Organisationen jeder Grösse oder Branche anwendbar. Der Aufwand für die Implementierung ist dabei nicht zu unterschätzen. Auch hier bietet das Reifegrad-Modell den Vorteil, dass die Führung ohne Druck jederzeit eine Einschätzung des Umsetzungsgrads erhalten kann – und damit auch viele wertvolle Inputs für den weiteren Entwicklungsweg.
Interessiert, oder vielleicht gar inspiriert? Für weitere Informationen zu den jeweiligen Modellen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Autoren

Projektleiter Circular Globe
Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS)

Siegfried Schmidt
Verantwortlicher Business Excellence und Organisationsentwicklung
SAQ Swiss Association for Quality